Was ist der „Nießbrauch“? Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Was ist der „Nießbrauch“?
Der Nießbrauch hat nichts mit bayerischem Brauchtum zu tun, sondern ist ein Rechtsbegriff. Er wird oft auch als Nutznießung oder Fruchtziehung bezeichnet. Der Berechtigte kann die Sache Nutzen und Früchte aus ihr ziehen. Bei einer ‚Wohnung kann er zum Beispiel die Wohnung selbst bewohnen oder sie vermieten und die Miete vereinnahmen.
Nießbrauch kommt aus dem Lateinischen
Bei dem Begriff Nießbrauch handelt es sich um eine Lehnübersetzung des lateinischen Rechtsbegriffs „usus fructus“ d.h. die Früchte genießen. Der Nießbrauch ist im deutschen Sachenrecht (§ 1030, § 1089 BGB) das nicht veräußerliche und nicht vererbliche Recht, die Nutzungen (§ 100 BGB) einer Sache oder eines Rechts zu ziehen.
Der Nießbrauch gewährt dabei dem Nießbraucher das Recht zur umfassenden Nutzung des belasteten Gegenstands. Der Nießbraucher kann also nicht nur einzelne Nutzungen (z.B. wohnen) ziehen, sondern alle (er kann auch vermieten). Derjenige, der z.B. eine Sache übergibt sich aber den Nießbrauch daran vorbehält, ist nach wie vor der „Boss“:
Schenke, aber herrsche
sagt ein Rechtssprichwort, das den an der verschenkten Sache vorbehaltenen Nießbrauch treffend charakterisiert. Der frühere Eigentümer, der sich an der verschenkten Sache den Nießbrauch vorbehalten hat, hat noch wie vor das Sagen, z.B. im übergebenen Haus. Aber: Verkaufen kann er das Haus nicht mehr!
Fruchtziehung
Der Nießbrauch gibt – juristisch gesprochen – das Recht zum Ziehen von „Früchten“ (§ 99 BGB), also zum Aneignen der Erzeugnisse und sonstigen Ausbeute des Gegenstandes: Rechtsfrüchte sind z.B. Miet- und Pachtzinsforderungen. Sachfrüchte sind z.B. die Ernte bei einem landwirtschaftlichen Grundstück oder die abgebauten Steine eines Steinbruches.
Der Nießbrauch ist das dingliche, also absolut wirkende Gegenstück zur schuldrechtlichen Pacht: Der Berechtigte hat nicht nur einen Anspruch auf Nutzungsziehung gegen seinen Vertragspartner, sondern ein Recht auf Nutzungsziehung an dem belasteten Gegenstand, das gegenüber jedermann wirkt.
Erbschaftsteuer sparen
Der Nießbrauch ist beliebt, wenn Grundstücke aus Gründen der Ersparnis der Erbschaftsteuer auf die Kinder übergeben werden, aber dennoch von den Eltern genutzt werden sollen. Der Vorbehaltsnießbrauch reduziert den Steuerwert des Schenkungsgegenstandes oft auf die Hälfte.